Best Practice IR-Website
19. November 2021
Die erste Anlaufstelle für Investoren ist die IR-Webseite, das Aushängeschild eines Emittenten. Hier sollten alle zentralen Elemente rund um IR für den Besucher schnell und unkompliziert auffindbar sein. Grundsätzlich kann eine Investitionsentscheidung des Investors auch von dem Besuch der IR-Website und den dort hinterlegten Informationen abhängen. Ein guter erster Eindruck ist also hier sehr wichtig.
Vorbereitung
Bevor die eigentlichen Entscheidungen zur Gestaltung der IR-Website getroffen werden können, sollten Emittenten sich in Anlehnung an ihr Gesamtkonzept überlegen, welches Ziel sie verfolgen und welche „Aufgaben“ die Website übernehmen soll. Die mögliche Spannbreite erstreckt sich von der Beschränkung auf die Erfüllung der gesetzlichen Pflichtanforderungen/-veröffentlichungen, über die Optimierung von IR-Arbeitsabläufen bis hin zu einer innovationsbasierten Vorreiterfunktion.
Je nach Festlegung lassen sich differenziertere Informationen auf der IR-Website abrufen, was im Hintergrund natürlich größeren Aufwand und gegebenenfalls höhere Anschaffungs- und Unterhaltskosten verursachen kann. Hier ist zu beachten, dass aktuelle und potenzielle Kapitalgeber im Allgemeinen von größeren Unternehmen ein entsprechend umfangreiches Informationsspektrum auf der IR-Website erwarten. Dadurch steigen die Anforderungen an eine IR-Webseite entsprechend.
Geeignete Informationsstruktur
Die Besucher von IR-Webseiten haben gewöhnlich zwei wesentliche Interessen: Informationsvielfalt und übersichtliche Gestaltung, bzw. schnelle Auffindbarkeit der Informationen. Im Idealfall sollte eine Information binnen 2 oder 3 Mausklicks gefunden werden. Das daraus resultierende Problem für den Webseitenbetreiber ist der Zielkonflikt dieser beiden Interessen: Ein „Mehr“ an Informationen führt häufig zu einem „Weniger“ an Übersicht. Die Lösung hierfür ist eine geeignete Informationsstruktur.
Die unterschiedlichen Informationen und Informationskategorien sollten über verschiedenen Ebenen sinngemäß und möglichst intuitiv gruppiert werden. Dabei sollten folgende Hinweise/ Tipps beachtet werden:
- Eine möglichst intuitive und schnelle Navigation
- Eindeutige und einfache Bezeichnungen der einzelnen Menüelemente
- Empfehlung einer (fixierten) Navigationsleiste (i.d.R. oben oder links)
- Möglichkeit von Call-to-Action-Buttons, um weitergehende Informationen aufzublättern (z.B. kurze Texte mit Möglichkeit für weitergehende Informationen), hier ein Beispiel:
Nachfolgend ein Beispiel für eine Informationsstruktur einer IR-Webseite:
Aufbau einer IR-Website
Im Wesentlichen bedient eine IR-Website ein Spannungsfeld an Informationen zur Übersicht über das Unternehmen (Über-Uns-Rubrik, Strategie und Vision), Zahlen zur faktisch-finanziellen Situation des Unternehmens (Geschäfts- und Zwischenberichte, Ausblick), Informationen zu Stimmrechtsmitteilungen, Angaben zur Corporate Governance (Vorstand, Aufsichtsrat, Satzung), Daten zu Events (Finanzkalender, vergangene Events inkl. dazugehöriger Präsentationen), Angaben zur Aktie oder auch zu Anleihen (Aktienkurs, Dividendenhistorie) und natürlich auch Kontaktmöglichkeiten zum IR-Team.
Grundlegend sollten sich auf jeder IR-Website Daten, Angaben und Dokumente zu den genannten Überbegriffen finden. Beispielsweise umfasst dies die folgenden:
- Über-Uns-Rubrik (inkl. Strategie und Vision)
- Finanzberichte (Geschäfts-/Zwischenbericht; Präsentationen der Berichte)
- Besetzung und Hintergründe des Vorstandes
- Eventkalender
- Aktienkurscharts
- Das IR-Team
Gestaltung
Beim Design der IR-Webseite ist stets darauf zu achten, die Funktionalität der Webseite zu wahren; reine Gestaltungselemente sollten also keinesfalls die Übersichtlichkeit gefährden.
Jedoch ist die (unbewusste) Wirkung einer ansprechenden Gestaltung nicht zu unterschätzen. Die Visualisierung von unterschiedlichen Unternehmensfarben, Farbübergänge und Hintergrundbilder können die IR-Site erfrischen. Hier sollte eine gesunde Mischung aus Optik und Inhalt gefunden werden. Denn nicht zuletzt kann die optische Gestaltung die Besuchszeiten der Website erhöhen. Auch hier zählt ein guter erster Eindruck.
Inhalte der IR-Website
Im Einzelfall sollte jedes Unternehmen für sich entscheiden, welche Informationen über die IR-Webseite verbreitet werden sollen und wie umfangreich bzw. tiefgreifend diese Inhalte sein können. Nach dem Umfang der präsentierten Informationen und dem technischen Niveau der IR-Webseite lassen sich die Unternehmen in die unterschiedlichen nachfolgenden Kategorien unterteilen. Diese Kategorien können als Orientierungshilfen für die Ausrichtung der eigenen IR-Website dienen.
Kategorisierungen
Digital Transmitter
Die Unternehmen in der Kategorisierung „Digital-Transmitter“ beschränken sich auf die Erfüllung der gesetzlichen Pflichtdarstellung und halten ihre IR-Webseite eher schlicht. Diese orientiert sich an den Mindeststandards des Marktes. Es finden sich hauptsächlich Pflichtangaben und/oder Veröffentlichungen:
- Geschäfts- und Zwischenberichte
- Ad-Hoc-Mitteilungen
- Aktionärsstrukturen
- Angaben zur Hauptversammlung
Digital Optimizer
„Digital Optimizer“ sehen in der Digitalisierung Chancen für die Optimierung von Arbeitsabläufen und der Vermarktung des Unternehmens gegenüber Investoren. Neben den gesetzlichen Pflichtangaben stellt ein „Digital Optimizer“ ein breiteres kundenorientiertes Angebot auf der IR-Website zur Verfügung, wie beispielsweise:
- Strategie des Unternehmens
- Corporate News
- Roadshows, Konferenzen, Termine der Zwischen- und Geschäftsberichte, Event-Kalenderfunktionen
- Finanzkalender (kommende und vergangene Events, Verlinkungen zu Präsentationen etc.)
- Kurs-Charts der Aktie
- Übersichten, Historien und/oder Renditenrechner für Dividenden
- Analystenempfehlungen
- Social-Media-Verknüpfungen
Aufgrund der Vielfalt an Informationen muss ein „Digital Optimizer“ eine funktionale Informationsstruktur bereitstellen, bei der auch Nutzer, die keine Erfahrungswerte mit der jeweiligen Website haben, binnen kürzester Zeit die gewünschten Informationen finden und abrufen können.
Digital Pioneer
Der „Digital Pioneer“ begnügt sich nicht mit geltenden Marktstandards oder der Optimierung der Arbeitsabläufe. Er will die IR-Arbeit durch innovative Techniken von der Konkurrenz abheben und die Standards der Zukunft bestimmen.
„Digital Pioneers“ gehen experimentierfreudig mit Trends und neuartigen Instrumenten um. Sie zeichnen sich nicht nur durch Informationsvielfalt, sondern vor allem durch innovative Übertragungswege aus.
Mögliche Instrumente sind:
- Umfangreiche Datenbereitstellung und Chartanalysen
- Chatbot
- Berichte im XBRL-Format
- Hauptversammlung mit Real-Time-Abstimmungen und Live-Streams
- Hauptversammlungen in virtueller Realität
- Analysen von Websitebesucherverhalten mittels künstlicher Intelligenz
Best Practice
Die IR-Webseite liefert ein hohes Maß an Informationsvielfalt bei gleichzeitig übersichtlicher und anschaulicher Gestaltung. Neben den gesetzlichen Pflichtveröffentlichungen finden sich zahlreiche Inhalte und Features, die den Anlegern je nach Interessenlage schnell einen kurzen oder auch einen tiefergreifenden Einblick in das Unternehmen und dessen Erfolg ermöglichen.
Mögliche Inhalte und Navigationspunkte sind hierfür:
- Unternehmensprofil und Strategie
- Vorstellung Vorstand
- Kapitalmarktstory – Anschauliche Darstellung der Geschäfts- und Zwischenberichte (PDF und/oder Online-Versionen) inkl. archivierter Berichte (mind. 5 Jahre)
- Fotos und (direkte) Kontaktdaten des IR-Teams
- Aktienkurs und Dividende (historische Daten, Tabellen und Diagramme, Rendite-Rechner, benutzerdefinierte Zeiträume)
- Events und Präsentationen (Daten zu vergangenen Events, gehaltene Präsentationen und Aufzeichnungen, Termine für kommende Veranstaltungen; vorzugsweise ein GJ im Voraus)
- Nachhaltigkeit (CSR, ESG)
- Responsive Design bzw. mobile Ansicht der Website (Bevorzugung bei Suchalgorithmen)
Um dem Nutzer eine einfache und intuitive Bedienung zu ermöglichen gilt: Je höher die Informationsvielfalt, desto übersichtlicher der Aufbau der Informationsstruktur.
Chatbot
Ein Chatbot ist ein digitaler Assistent, der menschliche Unterhaltungen simuliert. Der Begriff Chatbot setzt sich aus den beiden Wörtern „Chat“ und „Robot“ zusammen. Zum Einsatz kommt er beispielsweise auf Internetseiten oder in sozialen Netzwerken und wird so von Unternehmen als Schnittstelle zu ihren Kunden genutzt. Ein Chatbot kann zum Beispiel Fragen beantworten, Produkte erklären oder Hilfestellungen bei Problemen geben.
Einsatzmöglichkeiten
Ein Chatbot bietet viele verschiedene Anwendungsmöglichkeiten. Prinzipiell ist er überall dort einsetzbar, wo es um Kommunikation mit Menschen geht. Häufig wird er genutzt, um Anfragen von Kunden automatisiert – d.h. ohne direkten menschlichen Eingriff – zu beantworten. Er kann einfache und ihm bekannte Fragen entgegennehmen und zum Teil selbst bearbeiten oder den Kunden bei Bedarf direkt an einen persönlichen Kundenbetreuer weiterleiten.
Funktionsweise
Alle Chatbots arbeiten nach demselben Prinzip: das Erkennen von Sprache. Wenn der Nutzer eine Frage stellt, zerlegt der Chatbot den Satz in seine Einzelteile, identifiziert Schlüsselwörter, durchsucht seine Datenbank, in der Antwortmöglichkeiten gespeichert sind und schickt dem Nutzer dann eine Antwort.
Vorteile
Chatbots…
- …können rasch und direkt auf grundlegende bzw. wiederkehrende Fragen antworten und können ggfs. hierdurch geringfügig das Anfrageaufkommen bei Investor Relations reduzieren
- …sorgen für eine bessere Erreichbarkeit
- …beantworten Fragen rund um die Uhr, auch außerhalb der Bürozeiten
- …reduzieren Wartezeiten für Besucher
- …verbessern die Suchfunktion der Website
Nachteile
Chatbots…
- …sind hinsichtlich ihrer Einrichtung und Weiterentwicklung kosten- und zeitintensiv
- …können Fragen und komplexe Zusammenhänge nur beantworten, wenn ihnen die Fragestellungen sowie die entsprechenden Antworten systemseitig hinterlegt worden sind. Dafür ist eine permanente redaktionelle Betreuung notwendig.
Zielsetzung
Die Zielsetzung sollte sein, dem Fragesteller bestmöglich weiterzuhelfen bzw. die jeweilige Fragestellung zufriedenstellend zu beantworten. Der Chatbot erfordert daher einen erhöhten Kontroll- und Optimierungsaufwand.
Hier sollten folgende Punkte berücksichtigt werden:
- Fortlaufende Auswertung, welche Fragen dem Bot gestellt wurden und ob er diese auch beantworten konnte.
- Fortlaufende, z.B. quartalsweise Aktualisierung der Inhalte ist erforderlich, bspw. zu Terminen und Kennzahlen
- Auswertung des Nutzerverhaltens
- Wie hoch ist die absolute Nutzerzahl?
- Wie viele neue Nutzer gibt es?
- Kennzahlen zur Konversation
- Wie lange dauert eine durchschnittliche Konversation?
- Kennzahlen der Kundenzufriedenheit
- Wie viele Nutzer sind mit der Anwendung zufrieden?
- Feedback?
IR-App
Eine mobile Applikation für Smartphones (auch „App“ genannt) stellt die wesentlichen Inhalte der IR-Website komprimiert und übersichtlich dar.
Einsatzmöglichkeiten
- kann als Zusatz zu bestehender IR-Webseite genutzt werden
- Besonderer Nutzen für den User ist die Offline-Verfügbarkeit von Inhalten
Funktionsweise
Inhalte werden im Idealfall direkt über eine Schnittstelle von der IR-Website importiert. Diese Vorgehensweise führt zu geringerem Aktualisierungsaufwand und reduzierter Fehleranfälligkeit.
Erinnerungsmitteilungen zu News
In einem durchgeplanten Alltag kann es schnell dazu kommen, dass Kapitalgeber vergessen, sich über mögliche Neuigkeiten, Artikel und Berichte zu informieren. Dies soll über App-Benachrichtigungen vermieden werden. Somit bleibt der Nutzer auf dem neuesten Stand, sofern er dies wünscht. Erinnerungsmitteilungen über die App sollten optional sein, bevor sich ein Nutzer davon gestört fühlt und sein Meinungsbild über die App ändert. Hier sind auch datenschutzrechtliche Belange unbedingt mit einzubeziehen.
Beispiele für Erinnerungen:
- Push-Mitteilungen
- + Smart Watch Verfügbarkeit
- – Newsfeed am Handgelenk
- + Individuell einstellbar
- – Nachrichten im Sperrbildschirm
- – Banner
- – Töne
- + Benachrichtigung bei aktuellen News
- + Meldungen bei eventuell geschäftsbeeinträchtigenden Ereignissen
- + Smart Watch Verfügbarkeit
Vorteile
- Keine Internetverbindung notwendig (Offline-Modus möglich)
- Erinnerungsmitteilungen können per Push-Nachricht versendet werden
Nachteile
- Für den Emittenten
- zusätzliche Kosten für App-Programmierung und Updates (ggfs. unterschiedliche Systeme, bspw. iOS oder Android)
- erhöhter Pflegeaufwand, falls die Inhalte nicht über eine Schnittstelle zur IR-Webseite aktualisiert werden können
- Für den Benutzer
- Es ist ein zusätzlicher Download der App erforderlich, um diese zu nutzen
Die IR-App ist ein moderner Kommunikationskanal und rückt verstärkt in den Fokus von IR-Abteilungen und ist eine sinnvolle Ergänzung. Es stellt sich allerdings die Frage, ob ein weiteres pflege- und kostenintensives Marketinginstrument tatsächlich erforderlich ist und welchen Mehrwert dieses bieten kann bzw. soll.