ACID – an analyst coverage increasing directive
16. Juni 2025
Als im Frühjahr 2020 noch niemand in Deutschland von Corona gehört hatte, wurde ich vom DIRK gefragt, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse es darüber gibt, wie die Kapitalmärkte zwischen bezahltem und unbezahltem Research differenzieren. Wie so oft klang die Frage harmlos aber sehr interessant. Schnell zeichneten sich zwei Erkenntnisse ab. Zum einen ist diese Frage so konkret bislang nicht wissenschaftlich untersucht worden, zum anderen redete auch in der Praxis niemand gerne darüber. Allein das Identifizieren von bezahlten Analystenreports aus den Disclaimers ihrer Berichte war mühevoll, und nicht jeder Emittent war unmittelbar mit unseren Einordnungen als bezahlt oder unbezahlt ganz glücklich.
Fünf Jahre später gibt es in verschiedener Hinsicht gute Neuigkeiten. Erstens liegt jetzt eine wissenschaftliche Analyse vor, zu der am Ende dieses Beitrags ein Link zu finden ist. Zweitens sind die Realitäten des deutschen Kapitalmarkts dazu geeignet, der Klassifizierung als bezahltes oder unbezahltes Research viel Brisanz zu nehmen. Denn viele Gespräche mit institutionellen Investoren haben eine erste Erkenntnis unserer Analysen schnell bestätigt. Es gibt drei Gruppen von Emittenten, die sich weitestgehend einfach über Größe und Free Float definieren. Die erste Gruppe, zu der die DAX-Mitglieder zählen, zahlte in unserem Untersuchungszeitraum nie für Coverage, die zweite Gruppe mit kleineren Emittenten zahlt immer, und die dritte Gruppe, die spannendste, hat beides vorzuweisen. Die institutionelle Investorenschaft hat eine recht gute Einschätzung darüber, wer zu welcher Gruppe zählt.
Daraus lässt sich eine erste Handlungsempfehlung ableiten. Große Emittenten werden zur Ausweitung von Coverage immer versuchen, weitere Analysehäuser zu überzeugen, unentgeltlich ebenfalls Research zu liefern, und kleine Emittenten können nur durch finanzielle Kompensation zusätzliches Research erhalten. Nur was empfiehlt man der dritten Gruppe? Pay or Persuade? Hier muss jeder Emittent eine zunächst einmal sehr komplexe-Kosten-Nutzen-Abwägung vornehmen und in einem ersten Schritt klären, welche Unterschiede sich zwischen bezahlten und unbezahlten Analystenreports ergeben. Dazu konnten unseren verschiedenen empirischen Auswertungen sehr hilfreiche Erkenntnisse liefern. Es gibt keine statistisch relevanten Unterschiede im Sentiment der Reports. Wer glaubt, bezahltes Research fällt positiver aus, der irrt sich. Allerdings ist die Lesbarkeit nach verschiedenen Maßen der elektronischen Textauswertung bei bezahlten Reports besser. Dem Kapitalmarkt ist das allerdings egal. Die Aktienkursreaktionen auf die Veröffentlichung von bezahlten und unbezahlten Analystenreports unterscheiden sich nicht. Damit kann ein Emittent die Kosten-Nutzen-Analyse auf eine Kostenbetrachtung reduzieren. Er muss sich nur überlegen, ob es für ihn kostengünstiger ist, bezahltes Research in Auftrag zu geben oder sich intensiv zu bemühen, ein Analysehaus davon zu überzeugen, kostenfreies Research bereitzustellen.
Interesse auf mehr Details? Hier ist der Link zur Studie: https://doi.org/10.1007/s11156-025-01428-y
Über den Autor:
Professor Dr. Dirk Schiereck ist seit August 2008 Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinanzierung an der Technischen Universität Darmstadt. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der (kapitalmarktorientierten) Unternehmensfinanzierung, dem Asset Management und der Digitalisierung der Finanzindustrie.