Bundesregierung veröffentlicht Gesetzentwurf zur Umsetzung der Änderung der Transparenzrichtlinie
27. Mai 2015
Themengebiet | Kapitalmarktrecht |
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Publikationsform | Externe Publikationen |
Überblick
Die am 27. November 2013 in Kraft getretene EU-Transparenzrichtlinie 2013 (2013/50/EU), durch die Änderungen der Transparenzrichtlinie (2004/109/EG) und weiterer Richtlinien erfolgt sind, ist bis zum 27. November 2015 in deutsches Recht umzusetzen. Ziel der Transparenzrichtlinie 2013 ist eine weitgehende Harmonisierung innerhalb der EU; die Mitgliedstaaten dürfen grundsätzlich – bis auf wenige Ausnahmen – bei der Umsetzung nicht über die Vorgaben der Richtlinie hinausgehen. Das Bundesfinanzministerium hat am 29. April 2015 den vom Bundeskabinett verabschiedeten Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie 2013 (Umsetzungsgesetz) veröffentlicht. Der Gesetzentwurf zielt insbesondere darauf ab
- die Transparenz von Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften weiter zu verbessern,
- die bestehenden Sanktionsbefugnisse bei Verstößen gegen die Meldepflichten zu erweitern und
- die Berichtspflichten für kleine und mittlere Emittenten zu vereinfachen.
Ergänzend wurde im Amtsblatt der Europäischen Union vom 13. Mai 2015 die Delegierte Verordnung (EU) 2015/761 der Kommission vom 17. Dezember 2014 veröffentlicht, mit der auf Grundlage der Empfehlungen der ESMA bestimmte technische Regulierungsstandards für bedeutende Beteiligungen in Ergänzung der Transparenzrichtlinie 2013 („Delegierten Verordnung“) festgelegt werden. Diese Verordnung 2015/761 gilt ab dem 26. November 2015.
Erhöhte Transparenz durch Anpassungen bei den WpHG-Meldepflichten
Die maßgeblichen Meldeschwellen für die WpHG-Mitteilungspflichten bleiben unverändert, ebenso die Meldepflichten für die Inhaber wesentlicher Beteiligungen (§ 27a WpHG). Neben einigen Klarstellungen sind Änderungen insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts für das Auslösen der Meldepflicht, bei den Zurechnungstatbeständen sowie bei den Meldepflichten für Finanzinstrumente vorgesehen.
1. Stichtag für Meldepflichten
Für den Beginn der Fristberechnung wird zwischen aktiver und passiver Schwellenberührung differenziert. Der Gesetzeswortlaut stellt klar, dass bei aktiver Schwellenberührung spätestens nach zwei Handelstagen die Kenntnis des Meldepflichtigen über seine Schwellenberührung unwiderleglich vermutet wird. Bei passiven Schwellenberührungen wegen Veränderung der Gesamtstimmrechtsanzahl beim Emittenten ist nicht Kennenmüssen, sondern die positive Kenntnis der Schwellenberührung für die Meldepflicht maßgeblich.
Allerdings wird künftig die Meldepflicht bereits ausgelöst, wenn ein auf die Übertragung von Aktien gerichteter unbedingter und ohne zeitliche Verzögerung zu erfüllender Anspruch oder eine entsprechende Verpflichtung besteht, also ein unbedingtes Kausalgeschäft hinsichtlich der Übertragung von Aktien abgeschlossen wurde. Damit stellt der Gesetzgeber auf das Kausalgeschäft ab, auch wenn die zivilrechtliche Differenzierung zwischen schuldrechtlichem Kaufvertrag und sachenrechtlicher Übereignung in vielen anderen europäischen Mitgliedstaaten unbekannt ist. Unklar ist, ob die Meldepflicht auch besteht, wenn es bei der Übereignung von Aktien zu Problemen kommt. Die mit der Vorverlagerung der Schwellenberührung einhergehende Abweichung vom übernahmerechtlichen Zeitpunkt des Kontrollerwerbs wird in der Praxis regelmäßig nicht zum Tragen kommen, da im Vorfeld von Übernahmeverfahren vereinbarte Aktienkaufverträge üblicherweise als außerbörsliche Transaktion erfolgen und mit diversen kausal- und sachenrechtlichen Bedingungen verknüpft sind. Die Möglichkeit der gleichzeitigen Abgabe der WpHG-Meldung und der Veröffentlichung der Kontrollerlangung nach WpÜG bleibt erhalten.
2. Neue Tatbestände bei der Zurechnung von Stimmrechten
Auch wenn grundsätzlich aufgrund des aktienrechtlichen Abspaltungsverbots eine isolierte Übertragung der Stimmrechte in Deutschland rechtlich nicht möglich ist, erfasst der Gesetzentwurf künftig hinsichtlich der Stimmrechtszurechnung auch die Fälle, in den der Meldepflichtige aufgrund einer Vereinbarung die Stimmrechte ausüben kann, ohne die mit den Stimmrechten verbundenen Aktien als Gegenleistung zu erhalten. Weiterhin wird die Zurechnungsregelung im Fall der Sicherungsübereignung von Aktien präzisiert – meldepflichtig können sowohl der Sicherungsgeber als auch der Sicherungsnehmer sein.
3. Meldepflichten von Konzernunternehmen
Um im Konzern ein angemessenes Maß an Transparenz zu gewährleisten und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass ein ein Tochterunternehmen kontrollierendes Mutterunternehmen Einfluss auf dessen Management nehmen kann, sollen die Schwellen nach der Delegierten Verordnung auf Ebene des Konzerns berechnet werden. Maßgeblich für die Schwellenüberschreitung ist danach der Zeitpunkt, zu dem die Gesamtsumme der Beteiligungen im Konzern die Mitteilungsschwelle erreicht. Dementsprechend werden im Entwurf des Umsetzungsgesetzes die bisherigen WpHG-Regelungen zur Zurechnung bei Tochterunternehmen im neuen § 24 WpHG zusammengefasst und präzisiert. Zukünftig wird es nach § 24 WpHG n.F. die Möglichkeit einer befreienden Konzernmitteilung durch Mutterunternehmen geben; anders als bislang bedarf es dann keiner separaten Mitteilungen durch einzelne Konzernunternehmen mehr. Dabei wird auch der Anwendungsbereich der Norm auf Mutter-Tochterverhältnisse ausgeweitet, denen kein Konzern im Sinne der §§290, 340i HGB zugrunde liegt. Die Einzelheiten dieser Befreiung sollen in einer Rechtsverordnung festgehalten werden.
Mit einer Ergänzung des § 26 Abs. 1 WpHG stellt der Gesetzgeber klar, dass ein Emittent Aktien, die ein Tochterunternehmen an ihm hält, als eigene Aktien anzusehen hat und das Tochterunternehmen dementsprechend hinsichtlich dieser Aktien nicht meldepflichtig ist.
4. Neues System der Meldetatbestände bei Finanzinstrumenten
Mit der Neufassung der §§ 25, 25a WpHG regelt der Gesetzgeber die Meldepflichten beim Halten von Finanzinstrumenten und sonstigen Instrumenten neu. § 25 WpHG n.F. wird einen einheitlichen Meldetatbestand für sämtliche Instrumente beinhalten, die ein Erwerbsrecht auf Aktien eines Emittenten begründen (bislang § 25 WpHG) bzw. eine vergleichbare wirtschaftliche Wirkung haben (bisher nach § 25a WpHG meldepflichtige Erwerbsmöglichkeiten). Dabei ist nach § 25 WpHG n.F. allein der aus den Instrumenten folgende Stimmrechtstatbestand meldepflichtig (keine Aggregation mit Stimmrechten aus Aktien, §§ 21, 22 WpHG). Aufgegeben wird auch die bisherige terminologische Unterscheidung zwischen Finanzinstrumenten und sonstigen Instrumenten. §25a WpHG n.F. wird eine Meldepflicht für den aggregierten Bestand an Stimmrechten aus Aktien (§§ 21, 22 WpHG) und Instrumenten (§ 25 WpHG) enthalten.
Bei den meldepflichtigen Instrumenten werden weiterhin Instrumente mit physischer Abwicklung, bei denen der Erwerb der Aktien nur noch vom Inhaber des Instruments oder vom Zeitablauf abhängt (sog. Erwerbsrechte), und Instrumente mit vergleichbarer wirtschaftlicher Wirkung unterschieden, unabhängig davon, ob diese physisch abgewickelt werden oder einen Barausgleich vorsehen. Der Gesetzgeber beabsichtigt im Allgemeinen keine Änderungen hinsichtlich der bislang von §§ 25 und 25a WpHG erfassten Instrumente. Die Bestimmung der Reichweite der neuen Regelung im Detail wird in der Transparenzrichtlinie 2013 der Europäischen Marktaufsichtsbehörde (ESMA) überlassen, die den Auftrag erhalten hat, eine nicht abschließende Liste mit meldepflichtigen Instrumenten zu erstellen und diese regelmäßig zu aktualisieren. Auch die Auflistung der Instrumente im neuen § 25 Abs. 2 WpHG ist nach Auffassung des Gesetzgebers nicht abschließend. Er geht davon aus, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) künftig bestimmen muss, welche weiteren Instrumente sie nach nationalem Recht als meldepflichtig ansieht. Auch insoweit enthalten die technischen Regulierungsstandards der EU-Kommission eindeutige Vorgaben.
Neu geregelt ist die Berechnung der zu meldenden Stimmrechtsanzahl bei Instrumenten mit Barausgleich. Im Grundsatz gilt weiterhin bei der Berechnung die Bezugnahme auf die volle nominale Anzahl der zugrunde liegenden Aktien; bei Instrumenten mit Barausgleich, die kein lineares symmetrisches Auszahlungsprofil aufweisen, ist die Anzahl der zugrunde liegenden Aktien mit dem Delta des Finanzinstruments zu multiplizieren. Bisher war auch insoweit ein fixes Delta von 1 anwendbar, künftig erfolgt eine Delta-angepasste Berechnung auf Grundlage eines anerkannte Standard Pricing Modells. Insoweit werden die technischen Regulierungsstandards der ESMA sowie die Vorgaben der Delegierten Verordnung 2015/761 maßgeblich sein.
5. Weitere Klarstellungen bei den Meldepflichten
Hinsichtlich der Veröffentlichung der Gesamtzahl der Stimmrechte verlangt das Gesetz künftig deren unverzügliche Veröffentlichung bei Schwellenüber-/-unterschreitungen statt einer Veröffentlichung am Ende jedes Kalendermonats. Nicht unter die unverzügliche Veröffentlichungspflicht gemäß dem neuen § 26 WpHG fällt die Ausgabe von Bezugsaktien, deren Gesamtzahl weiterhin am Ende eines Kalendermonats zu veröffentlichen ist; allerdings sind diese zu berücksichtigen, wenn eine Meldung der Gesamtstimmrechtsanzahl nach Abs. 1 veröffentlicht wird. Unverzüglich wird gesetzlich definiert als spätestens innerhalb von zwei Handelstagen; ein Abwarten des Emittenten auf die Bekanntmachung im Handelsregister oder Benachrichtigung durch das Handelsregister ist nicht zulässig.
Einführung eines neuen Sanktionsregimes
Die Transparenzrichtlinie 2013 beinhaltet detaillierte Vorgaben für Verwaltungssanktionen, nachdem die ursprüngliche Transparenzrichtlinie lediglich die Vorgabe enthielt, wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Verwaltungsmaßnahmen vorzusehen. Die BaFin hatte am 29. November 2013 ihre Bußgeldleitlinien bei WpHG-Verstößen veröffentlicht. Der nunmehr vorliegende Entwurf des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes verschärft nun das Sanktionsregime und geht insoweit über die zwingenden Umsetzungsanforderungen der Richtlinie sowie über die bisherigen BaFin-Bußgeldleitlinien hinaus:
1. Höhere Geldstrafen
Als Höchstmaß der Geldbuße gegenüber einer juristischen Person oder Personenvereinigung darf höchstens ein Betrag festgesetzt werden, der nicht EUR 10 Mio oder fünf Prozent des Gesamtumsatzes, den die juristische Person oder Personenvereinigung im der Behördenentscheidung vorangegangenen Geschäftsjahr erzielt hat, übersteigen darf. Handelt es sich bei der juristischen Person um eine Mutter- oder Tochtergesellschaft, ist der Gesamtbetrag im Konzernabschluss maßgeblich. Als Höchstmaß der Geldbuße für natürliche Personen wird ein Betrag von EUR 2 Mio festgelegt. Über die genannten Beträge hinaus kann eine Geldbuße in Höhe des Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils festgesetzt werden; der für die Festsetzung maßgebliche wirtschaftliche Vorteil umfasst erzielte Gewinne und vermiedene Verluste und darf durch die BaFin geschätzt werden.
2. "Naming and shaming"
Die BaFin ist nach dem Gesetzentwurf künftig verpflichtet, ihre Entscheidungen über Maßnahmen und Sanktionen auf ihrer Internetseite unverzüglich bekannt zu machen, und zwar bereits, bevor diese rechts- bzw. bestandskräftig sind („naming and shaming“). Dabei sind Art und Charakter des Verstoßes sowie die Identität der verantwortlichen Person zu veröffentlichen. Lediglich in Ausnahmefällen wie beispielsweise bei überwiegendem Persönlichkeitsschutz oder Gefährdung der Stabilität des Finanzmarktes ist von einer Veröffentlichung der Sanktionsentscheidung abzusehen.
3. Stimmrechtsverlust
Nach der Transparenzrichtlinie 2013 sollen die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Ausübung der Stimmrechte derjenigen Inhaber von Aktien und Finanzinstrumenten, die der Mitteilungspflicht nicht nachkommen, ausgesetzt wird bzw. werden kann. Der EU-Gesetzgeber erlaubt allerdings eine Beschränkung auf schwerwiegende Verstöße.
Der deutsche Gesetzgeber erweitert im Umsetzungsgesetz in § 28 WpHG n.F. die bisherige Regelung des Stimmrechtsverlusts bei Verstoß gegen die Meldepflichten. Der mit dem Verstoß gegen Mitteilungspflichten verbundene Stimmrechtsverlust gilt künftig auch bei allen Zurechnungstatbeständen. Darüber hinaus erstreckt der neue § 28 Abs. 1 WpHG den Stimmrechtsverlust auf Fälle der Nichterfüllung der Mitteilungspflichten nach §§ 25, 25a , also bei Verstößen gegen die Meldepflichten bei Halten von Instrumenten im Sinne dieser Vorschriften. Die Pflichtverletzung endet in dem Zeitpunkt, in dem der Meldepflichtige eine ordnungsgemäße Mitteilung macht oder die fraglichen Instrumente nicht mehr in seinem Bestand hat (z.B. durch Verkauf, Verfall oder Ausübung). Bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Mitteilungspflicht verlängert sich die Frist, in denen Stimmrechte nicht ausgeübt werden dürfen, um sechs Monate.
Vereinfachung der Berichtspflichten
Der Regierungsentwurf des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz sieht in Umsetzung der EU-Vorgaben die Streichung der bisherigen Pflicht zur Erstellung und Veröffentlichung von Zwischenmitteilungen für Aktienemittenten vor. Grundsätzlich entfallen also künftig die Quartalsberichte. Darüber hinaus werden einige Sonderfälle wie beispielsweise die Berichtspflichten für bestimmte Unternehmen des Rohstoffsektors neu geregelt.
Das Umsetzungsgesetz erlaubt aber weiterhin, dass die Regelwerke der Börsen zusätzliche Berichtspflichten vorsehen. So sieht beispielsweise die Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse Quartalsberichte für die im Prime Standard notierten Unternehmen vor, so dass sich für diese Unternehmen keine Änderungen aus dem Umsetzungsgesetz hinsichtlich der Berichtspflichten ergeben.
Weiterer Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens
Das Gesetz wurde am 1. Mai 2015 gemäß Art. 76 GG dem Bundesrat als eilbedürfte Vorlage zur Stellungnahme zugeleitet. Es ist davon auszugehen, dass das weitere Gesetzgebungsverfahren zügig durchgeführt werden soll. Voraussichtlich wird im Gesetzgebungsverfahren die jetzt vorliegende Gesetzesfassung der Bundesregierung noch Änderungen erfahren.
Mit freundlicher Unterstützung von Freshfields Bruckhaus Deringer LLP.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Christoph Tillmanns (christoph.tillmanns@freshfields.com)