Geltl / Daimler-Schrempp
19. September 2013
Themengebiet | Berichterstattung |
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Publikationsform | Externe Publikationen |
Urteil des EuGH vom 28.06.2012 - C-452/10
Denn u.a. bereits am 17.5.2005 hatte Herr Schrempp seine Absicht, das Amt niederzulegen, mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats erörtert. Im Anschluss daran wurden weitere Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstands informiert und Verständigungen über das Vorgehen erzielt.
Der BGH hat dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1.
“Ist bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, bei dem über mehrere Zwischenschritte ein bestimmter Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll, für die Anwendung von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 nur darauf abzustellen, ob dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis als präzise Information nach diesen Richtlinienbestimmungen anzusehen ist, und demgemäß zu prüfen, ob man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis eintreten wird, oder können bei einem solchen zeitlich gestreckten Vorgang auch Zwischenschritte, die bereits existieren oder eingetreten sind und die mit der Verwirklichung des künftigen Umstands oder Ereignisses verknüpft sind, präzise Informationen im Sinne der genannten Richtlinienbestimmungen sein?“
2.
“Verlangt hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung mit überwiegender oder hoher Wahrscheinlichkeit, oder ist unter Umständen, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von ihrer zukünftigen Existenz [ausgegangen werden kann], oder Ereignissen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten werden, zu verstehen, dass das Maß der Wahrscheinlichkeit vom Ausmaß der Auswirkungen auf den Emittenten abhängt und es bei hoher Eignung zur Kursbeeinflussung genügt, wenn der Eintritt des künftigen Umstands oder Ereignisses offen, aber nicht unwahrscheinlich ist?“
Im Ergebnis hat der EuGH folgendes festgestellt:
zu 1:
Auf die erste Frage ist zu antworten, „dass . dahin auszulegen sind, dass bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, bei dem ein bestimmter Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll, nicht nur dieser Umstand oder dieses Ereignis präzise Informationen im Sinne der genannten Bestimmungen sein können, sondern auch die mit der Verwirklichung des Umstands oder Ereignisses verknüpften Zwischenschritte dieses Vorgangs.“
zu 2:
Auf die zweite Frage ist zu antworten, „dass . der Richtlinie . dahin auszulegen ist, dass die Wendung „eine Reihe von Umständen ., . bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das . mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird“, auf künftige Umstände oder Ereignisse abzielt, bei denen eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte ergibt, dass tatsächlich erwartet werden kann, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden. Dagegen ist diese Wendung nicht dahin auszulegen, dass das Ausmaß der Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente berücksichtigt werden muss.“
Auswirkungen auf die Praxis:
Eine Information ist dann als präzise anzusehen, wenn zwei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind.
Zum einen muss mit der Information eine Reihe von Umständen gemeint sein, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird.
Zum anderen muss sie spezifisch genug sein, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt.
Die Frage, ob eine Ad-hoc Meldung veranlasst ist, hängt also zunächst weiterhin davon ab, ob Umstände oder Ereignisse vorliegen bzw. eingetreten sind oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft vorliegen bzw. eintreten werden. Dabei ist Qualitativ darauf abzustellen, ob diese schon spezifisch genug sind, um als kursrelevant zu gelten. § 13 WpHG geht davon aus, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde.
Ist der Umstand bzw. das Ereignisse noch nicht eingetreten, kommt es darauf an, ob eine umfassende Würdigung der bereits verfügbaren Anhaltspunkte ergibt, dass tatsächlich erwartet werden kann, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden. Das Ausmaß der Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente ist aber bei der Frage der Eintrittswahrscheinlichkeit nicht beachtlich. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass eine höhere Kursrelevanz eine geringere Eintrittswahrscheinlichkeit kompensiert.
Beispielhaft übertragen auf den der EuGH-Entscheidung zu Grunde liegenden Fall wird man wohl hinterfragen müssen, ob bereits vor dem 28.07.2005 eine Sachlage gegeben war, die als kursrelevant anzusehen war. Davon könnte jedenfalls dann auszugehen sein, sich herausstellen sollte, dass die Entscheidung des Aufsichtsrats sich auf Grund erfolgter Vorabstimmungen nur noch als alternativlose Formalie herausstellt.
Damit wäre aber – wie auch in anderen Fällen – nicht gesagt, dass vor der formalen Entscheidung des Organs oder der anderweitigen „finalen“ Maßnahme zwingend eine Ad-hoc Meldung über den Zwischenschritt erfolgen müssen, sondern es wären insbesondere die Befreiungstatbestände des § 6 der Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz heranzuziehen.
Insgesamt ist auf der Grundlage des Urteils die besondere Bedeutung der Ad-hoc Publizität zu betonen, die demnach eben nicht nur Ergebnisse, sondern auch Zwischenschritte erfassen kann und in der Konsequenz vermehrt die Frage einer frühzeitigen Veröffentlichungspflicht gem. § 15 WpHG und einer möglichen Selbstbefreiung nebst entsprechender Dokumentation hervorrufen dürfte.
Mit freundlichen Grüßen
LLR LegerlotzLaschet Rechtsanwälte
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