Investor Relations-Strategien in der heutigen Zeit – worauf kommt es an?
20. September 2013
Themengebiet | IR-Kompetenz |
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Publikationsform | Externe Publikationen |
Was früher in Deutschland lange Finanzkommunikation hieß, hat sich heute zu einer in ihrer strategischen Bedeutung für börsennotierte Unternehmen kaum zu unterschätzenden Funktion gewandelt.
Das Ziel von Investor Relations ist es, institutionelle Investoren und private Anleger gezielt mit den notwendigen Unternehmensinformationen zu versorgen, um eine angemessene Bewertung der Aktie an der Börse zu bewirken.
Hohe Transparenz in Form von guter Kapitalmarktkommunikation trägt dazu bei, die Unsicherheit bei den Investoren über die zukünftige Entwicklung des Unternehmens zu vermindern. Das spiegelt sich in niedrigeren Risikoprämien und damit auch niedrigeren Kapitalkosten für das Unternehmen wider.
In den USA verfolgte dieses Ziel erstmals das Unternehmen General Electric im Jahr 1953. Damals legte der Konzern das erste Kommunikationsprogramm für Privatanleger auf. Sie sollten damit in ihrer Entscheidung für ein Aktieninvestment bei dem Elektronikkonzern bestärkt werden. Zudem wollte General Electric das Interesse neuer Anleger wecken. Schon nach kurzer Zeit nahmen auch andere Konzerne die direkte Kommunikation mit Anlegern auf. Der Fokus verlagerte sich zudem auf institutionelle Anleger, die bereit waren, attraktives Wachstum von Unternehmen zu finanzieren. Zudem wiesen diese Investoren eine weit höhere Risikobereitschaft für Unternehmensinvestitionen auf und verfügten über die notwendigen finanziellen Mittel.
In Deutschland brachten die Liberalisierung der Anlagevorschriften sowie das erste Finanzmarktförderungsgesetz im Jahr 1990 den Durchbruch für Investor Relations. Dieser Entwicklung gingen die erfolgreiche Erstnotierung des Deutschen Aktienindex und eine Vielzahl an Börsengesetznovellen voraus, die den Kapitalmarkt für deutsche Unternehmen und Anleger erst attraktiv machten. Auch wurde das Wertemanagement für börsennotierte Konzerne in den 90er Jahren immer wichtiger, was die Bedeutung von Investor Relations weiter erhöhte.
Die BASF erkannte früh die Bedeutung von Investor Relations. Bereits Mitte 1987 beschäftigte sich das Unternehmen zum ersten Mal ausführlich mit der Thematik und zählte damals zu den ersten Mitgliedern eines Arbeitskreises, der sich in Deutschland regelmäßig über kapitalmarktrelevante Themen austauschte. Dieser war der Vorläufer des heutigen Deutschen Investor Relations Verbandes (DIRK).
Hierbei verstand es BASF das Management für den Bereich Investor Relations zu sensibilisieren. Bei der BASF sind es heute nicht nur der Vorstandsvorsitzende und der Finanzvorstand, die an Gesprächen mit Investoren teilnehmen, sondern das gesamte Senior Management. Aufgrund der Bedeutung dieser Aufgabe für das Gesamtunternehmen arbeitet Investor Relations bei BASF eng mit anderen strategischen Disziplinen zusammen und wird als wichtiger Sparringspartner wahrgenommen.
Allerdings reicht der regelmäßige Austausch mit Investoren alleine nicht aus. Um Konsistenz, Transparenz und damit Glaubwürdigkeit in der Kommunikation sicherzustellen, müssen Grundsätze, Ziele und Maßnahmen der Kommunikation mit dem Kapitalmarkt in einer Investor-Relationsstrategie festgelegt werden. Bei BASF zielt die Investor Relations-Strategie darauf ab, BASF als starke Marke am Kapitalmarkt zu positionieren und eine angemessene Bewertung des Unternehmens zu erreichen. Zudem soll Vertrauen bei Investoren in das Unternehmen geschaffen und die Liquidität in der Aktie gesichert werden. Institutionelle Anleger und Finanzanalysten werden in zahlreichen Einzelgesprächen und auf Konferenzen weltweit informiert; Privatanlegern erhalten auf speziell für sie ausgerichteten Veranstaltungen Einblick in die Entwicklung und Perspektiven des Unternehmens. Allein im Jahr 2011 fanden weltweit 110 Informationsveranstaltungen statt.
Erfolgsfaktoren für Investor Relations
Wie gut Investor Relations ist, zeigt sich besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Positive Nachrichten lassen sich grundsätzlich leichter kommunizieren, aber vor allem schlechte Botschaften müssen zeitnah und transparent verbreitet werden, um Gerüchten, Falschmeldungen und Misstrauen gegenüber dem Unternehmen vorzubeugen. Eine offene Informationspolitik schafft das notwendige Vertrauen und die Loyalität der Investoren.
Eine wichtige Grundlage für erfolgreiche Investor Relations Arbeit ist auch die zielgruppenorientierte Kommunikation mit Investoren. Hierbei gilt es zu analysieren, wer bereits Aktionär ist und welche Erwartungen er an das Unternehmen hat sowie für welche potentiellen Investoren das Unternehmen ein attraktives Investment darstellen könnte. Dies hängt von verschiedenen Faktoren wie den Anlagekriterien, der geographischen Ausrichtung, der Investmentpolitik sowie dem Investmenthorizont des jeweiligen Anlegers ab. Um für die Zukunft über ausreichend Kapital zu verfügen, muss Investor Relations einerseits die bestehende Investorenbasis pflegen und andererseits frühzeitig nach Investoren suchen, die zur aktuellen und künftigen Geschäftsstrategie des Unternehmens passen.
Eine enge und vertrauensvolle Kooperation zwischen Senior Management und Investor Relations ist eine weitere Grundvoraussetzung für erfolgreiche Kapitalmarktkommunikation. Die direkte Anbindung an den Vorstand erhöht die Akzeptanz des Investor Relations-Verantwortlichen bei Analysten und Investoren, da hierdurch ein ungefilterter Informationsfluss gewährleistet ist. Die strategischen Kernbotschaften werden vom Investor Relations Team in engem Schulterschluss mit der Unternehmenskommunikation aufbereitet und mit dem Senior Management diskutiert bevor sie an die Kapitalmärkte kommuniziert werden. Alle Botschaften müssen stets im Unternehmen abgestimmt und konsistent kommuniziert werden. Diese so genannte „One Voice Policy“ ist entscheidend für die Kontinuität und Authentizität der Investor Relations-Arbeit.
Trends in Investor Relations
Vier Trends bestimmen die Arbeit der Investor Relations-Verantwortlichen aktuell: Investments in Schwellenländer, Socially Responsible Investing, Debt-Investor Relations und Social Media. Diese Trends sollen nun detaillierter ausgeführt werden.
Geldströme in Schwellenländer
Laut einer Analyse von McKinsey entsteht in den nächsten Jahren auf globaler Ebene eine Kapitallücke von bis zu 12 Billionen Dollar. Dahinter verbirgt sich eine Verlagerung von Kapital aus den Industrieländern in Richtung Schwellenländer, welches dort vor allem in Bankguthaben und Anleihen angelegt wird. Der private Anleger in Schwellenländern ist tendenziell risikoavers, verfügt als Einzelner über wenig Kapital und ist nicht in der Lage, in großem Stil Aktienpositionen in Unternehmen zu erwerben. McKinsey geht davon aus, dass bei steigendem Finanzvermögen der Anteil am börsennotierten Eigenkapital global von 28 Prozent auf 22 Prozent sinken werde. Für Investor Relations wird deshalb im enger werdenden Eigenkapitalmarkt der Kampf um die knappe Ressource härter und noch anspruchsvoller.
Wertewandel fördert SRI
Der globale Wertewandel lässt die Investmentstrategien nicht unberührt: So ist Socially Responsible Investment (SRI) ein Trend, der sich in Zukunft weiter verstärken wird. Der Markt für nachhaltige Finanzanlagen wächst stetig, repräsentiert aber bisher nur einen kleinen Teil des gesamten Marktvolumens.
Grundgedanke von SRI ist es, Werte mit wirtschaftlichen Aspekten zu verbinden. Wie in der Gesellschaft wächst auch am Finanzmarkt das Bewusstsein, dass ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Unternehmen eine langfristig profitable Investition darstellt. Dabei geht es zum einen um Risikominimierung durch Investments in Unternehmen, die bestimmte SRI-Kriterien erfüllen. Dies wirkt sich auf die Sicherheit und somit die Verlässlichkeit eines Investments aus. Zum anderen erwartet ein SRI-Investor einen positiven Zusammenhang zwischen verantwortungsvollem Wirtschaften und langfristigem Unternehmenserfolg. Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmensstrategie trägt dazu bei, dass Unternehmen Megatrends frühzeitig erkennen, nachhaltigere Produkte entwickeln und somit davon langfristig profitieren.
Debt-Investor Relations vor neuen Herausforderungen
Noch vor einigen Jahren erfolgte in der Regel keine Differenzierung hinsichtlich der Informationsbedürfnisse der Eigen- und Fremdkapitalinvestoren. Heute ist eine zielgruppenorientierte Information bei den meisten Unternehmen gelebte Praxis. Durch genau zugeschnittene Informationen können sich Bondinvestoren heute ein umfassenderes Bild von der Liquiditätssituation und Verschuldung des in Frage stehenden Unternehmens machen. Aufgrund der verschärften Anforderungen durch die Schulden- und Finanzkrise ist eine enge Verzahnung mit den relevanten Informationsanbietern im eigenen Hause auch bei Debt-Investor Relations notwendig.
Neuer Dialog mit Social Media
Alle Welt redet über Social Media – auch im Bereich der Kapitalmarktkommunikation. Durch Social Media ist eine neue Art des Dialogs entstanden. Dabei stehen Informationen allen Interessierten gleichzeitig zur Verfügung. Jeder Nutzer kann direkt mit dem Unternehmen in Kontakt treten. Institutionelle und private Anleger, Finanzanalysten und Wirtschaftsjournalisten sind gleichberechtigt. Obwohl manche Unternehmen und Investment Professionals noch skeptisch gegenüber Social Media sind, zweifelt niemand mehr daran, dass dieses Medium für die Informationsverbreitung und den Dialog weiter an Bedeutung gewinnen wird. Social Media spiegelt auch den Trend der ständigen Verfügbarkeit von aktuellen Informationen wider. Das gilt heute erstens global und zweitens rund um die Uhr, was Ressourcen und Know-how erfordert.
Neue Herausforderungen für die Investor Relations-Arbeit
Zunehmend beeinflussen globale wirtschaftspolitische Entwicklungen die Arbeit von Investor Relations Professionals. Im vergangenen Jahrzehnt erlebte die Finanzwelt eine bisher nicht gekannte Dynamik. Die Veränderungsgeschwindigkeit war und ist nach wie vor atemberaubend. Die Finanz- und die Staatsschuldenkrise hat das Vertrauen in die Finanzmärkte weltweit erschüttert und stellt Politik und Wirtschaft vor immer neue Herausforderungen bei den notwendigen Weichenstellungen.
Aufgrund der steigenden Komplexität und teilweisen Intransparenz des Kapitalmarktes sind alle Akteure stärker als bisher auf eine intelligente Finanzkommunikation angewiesen, die sich entlang der Markttrends weiterentwickelt. Es gilt, für Transparenz zu sorgen und das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen.
In Folge der Finanzkrise hat der Kostendruck in der Finanzbranche erheblich zugenommen. Die Folgen für Investor Relations sind gravierend: So wurde die Berichterstattung der Brokerhäuser – die Quantität der Sell-Side-Coverage – deutlich reduziert, worunter vor allem kleinere Unternehmen leiden. Weiterhin wird der Multiplikatoren-Effekt – also die Weitergabe der Unternehmensbotschaften durch die Analysten an den Markt – eingeschränkt, da durch die mit dem Kostendruck einhergehende Bankenkonsolidierung weniger Analysten pro Unternehmen zur Verfügung stehen. Und schlussendlich hat auch die Qualität der Research-Berichte in der Breite weiter abgenommen, da der Druck auf Analysten mehr Marketingaktivitäten durchzuführen und in immer kürzeren Zeitabständen Berichte und Studien zu veröffentlichen, weiter gestiegen ist.
Schließlich ist zu konstatieren, dass sich die Marktgegebenheiten in den vergangenen Jahren stark verändert haben. Der Trend geht weg von den klassischen Börsen hin zu außerbörslichen Plattformen. Im so genannten Over-The-Counter (OTC)-Handel auf Systemen der Banken werden mittlerweile riesige Volumina gehandelt. Laut Angaben des Datenanbieters Fidessa finden rund 50 Prozent des Handels in Unternehmensaktien im DAX mittlerweile im nicht regulierten Handel statt. Das erschwert die Identifikation von Aktionären, weil dort die Kontrakte direkt zwischen zwei Parteien vereinbart werden und es kaum oder keine staatliche Überwachung gibt.
Die genannten Trends und Herausforderungen stellen Investor Relations vor neue Aufgaben, implizieren aber auch neue Chancen. Unternehmen mit guter Investor Relations können sich von anderen Unternehmen differenzieren und sind dadurch in der Lage, wettbewerbsfähiger Kapital am Markt aufzunehmen.
Heute agieren Investor Relations-Professionals auf der globalen Bühne und haben es mit einer Vielzahl unterschiedlicher Kulturen, Investoren und auch Wertevorstellungen zu tun. Die Dynamik und Geschwindigkeit der Veränderungen nimmt kontinuierlich zu. Trends wie Socially Responsible Investment mögen von bestimmten Gruppen in den hochindustrialisierten Ländern vorangetrieben werden, finden aber schnell eine globale Verbreitung. Märkte verändern sich in rasanter Geschwindigkeit, wie die Verbreitung des OTC-Handels zeigt.
Transparenz, Diversität und Werteorientierung sind deshalb Kernkomponenten für die moderne Investor Relations. Nie war dieser Bereich wichtiger für die Positionierung des eigenen Unternehmens im globalen Wettbewerb um Investoren.
Zur Autorin: Magdalena Moll ist Leiterin Investor Relations bei der BASF SE und Präsidentin des Deutschen Investor Relations Verbandes (DIRK).